Ich hab kinderfrei und genieße die entspanntesten Sommerferien meines Lebens: Geschickt habe ich das Kind auf seinen Vater und die Großeltern aufgeteilt. Seitdem herrschen in meiner Bude anarchische Zustände, wie ich sie zuletzt aus meiner Jugend kannte.
Täglich widme ich mich all unerhörten Dingen, in deren Genuss sonst nur Kinderlose kommen. Gestern bin ich um zwei Uhr morgens schlafen gegangen, heute hab ich mich um Viertel nach elf aus dem Bett geschält. Sogar am heiligen Sabbat treibe ich mich bis spät nachts in der Weltgeschichte herum.
Grundsätzlich komme ich nicht vor zehn in die Gänge und habe Frühstücken aus meinem Lebensplan gestrichen. Das Mittagessen nehme ich im Schlafanzug zu mir. Auf der Couch. Vor dem Laptop. Ich liebe es. Das Süßigkeitenversteck ist übrigens auch aufgehoben – meine zuckerhaltigen Sünden liegen schonungslos offen herum.
Die Küche wird zur Kochlöffel-freien Zone
Ich rühre drei Wochen lang keinen Finger. Auf Haushalt hab ich null Bock. Der Wäscheberg nähert sich der Schneefallgrenze – neben der Spüle türmen sich Schüsseln mit eingetrockneten Müsliresten zu einem avantgardistischen Kunstwerk.
Abgerundet wird das Ganze durch beachtlich große Wollmäuse, die in Wildwest-Manier über den Parkett rollen. Derweil throne ich mit hochgelegten Beinen auf der Couch und herrsche über mein selbst geschaffenes Chaos.
Ich gammle in meiner kinderfreien Zeit so exzessiv, dass ich vor lauter Herumliegen Rückenschmerzen bekomme. Ja, ganz Recht! Seit ich Mutter bin, kommt mir Nichtstun geradezu revolutionär vor.
Mein kinderfreier Tagesablauf: essen, schlafen, masturbieren
Essen, schlafen, masturbieren – das sind die tragenden Säulen meines neuen Lifestyles. Und zwar in dieser Reihenfolge. Ich schwelge von Tag zu Tag durch mein Leben. Meine Laune gleicht einem Heliumballon, der prall gefüllt an der Zimmerdecke schwebt. Dann wird mein ausufernder Müßiggang durch einen schier unstillbarer Tatendrang abgelöst.
Zweimal gehe ich in die Therme, schwimme bei Vollmond im See, gönne mir eine Thai-Massage (gegen die Bequemlichkeits- Rückenschmerzen) und springe im Trampolinpark ausgelassen wie ein Kind herum, bis ich den Muskelkater meines Lebens habe.
Fetter Bass und menschenleere Dörfer
Kinderfrei zu haben ist auch herausfordernd: Da ist auf einmal so viel Zeit, dass ich gar nicht weiß wohin damit. Ich wälze mich genüsslich in diesem Luxusproblem und unternehme einen Spontantrip nach Brandenburg. Dort gebe ich mir auf einem Festival die volle Bass-Dröhnung.
Mit einem geliehenen Oma-Rad fahre ich durch menschenleere Dörfer und lasse den abgefuckten Charme auf mich wirken. Zwischendurch mache ich an entlegenen Baggerseen Halt und vergrabe die Füße im Sandstrand. Selbstvergessen hänge ich Tagträumen nach, betrachtet die Windräder am Horizont und gebe mich dem Fluss des Lebens hin.
Kinderfrei: Ich kümmere mich nur um mich selbst
Und das tut unendlich gut. Ich fühle mich richtig satt. Satt an neuen Eindrücken, gesättigt mit Schlaf und Ruhe. Ich bin absolut tiefenentspannt. Nun habe ich wieder Zeit und Lust, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen. Generell habe ich sehr viel Energie, bin total motiviert und fühle mich um Jahre jünger.
Alleinsein ist einfach verdammt geil. Wenn man die Gelegenheit dazu hat, sollte man das auskosten. Und jetzt mal ehrlich: Wer in seiner kinderfreien Zeit nichts mit sich anzufangen weiß und herumjammert, allein wäre alles doof, ist selbst Schuld.
Früh genug holt einen der Alltag schließlich wieder ein. Anfang nächster Woche platzt auch meine Seifenblase. Das Kind kommt zurück. Ich werde meine Süßigkeiten wieder einpacken, den Schlafanzug gegen Alltagskleidung tauschen, das Chaos beseitigen und brav den Kochlöffel schwingen, als sei nichts gewesen. Hallelujah!
Yeah Schwester, du rockst das!
Ich hab zwar nicht so lange kinderfrei wie du, aber ich stoße auf dich an!
Liebe Grüße,
Lotte
Hey Lotte,
danke dir!
Ich proste cybermäßig zurück 😉
Alles Liebe,
Conni
Haha! Du bist witzig drauf.
So viel freie Zeit hätte ich auch gerne.
Ein bißchen neidisch bin ich schon, geb ich zu.
Aber das ist so herrlich schräg und echt geschrieben, dass es mich entschädigt 🙂
Muss wohl noch ein paar Jährchen warten, bis mein Großer selbständiger ist. Dann kann ich mir so ne kinderfreie Eskalation auch mal gönnen. 😛
Das klingt nach einer richtig guten Zeit!
Find ich toll, dass du dein Alleinsein in vollen Zügen genießen kannst. Es gibt ja Mütter, die wissen nichts mit sich anzufangen, wenn die Kinder mal länger weg sind. Hut ab für diesen herzlichen und lustigen Beitrag!
Davina
(sag mal, was ist eigentlich bei Facebook los, dass du deine Webseite nicht mehr verlinken kannst?)
Hallo Davina! Es war ne richtig gute Zeit! Für mich ist das eine Möglichkeit, Muttersein und Frausein auszuleben. Wenn Letzteres in Vergessenheit gerät, ist es so wie du schreibst und man weiß nichts mit sich anzufangen. Ich kann das auch verstehen, denn es ist oft nicht einfach, wenn man nicht die nötigen Freiräume hat, um sich zu entfalten. Ich habe das Glück, dass sich Großeltern und Vater kümmern – wodurch ich viel Zeit für mich habe. Wegen Facebook: Das Problem ist, dass ich auf dieser Webseite aufgrund eines Plugins Malware hatte. Das blieb drei Wochen unbemerkt, da ich in Urlaub… Weiterlesen »
OMG, ich will auch…:-)
Nach 1 1/2 Jahren Papa sein kann ich mir solch eine „Auszeit“ nur zu gut vorstellen. 😉
LG, Richard & Hugo vom https://www.vatersohn.blog/
Das kann ich mir vorstellen, Richard. 🙂
Mein erster Urlaub ohne Kind war Wahnsinn, das werde ich nie vergessen.
Ich bin völlig verplant durch die Gegend gesteuert (musste mich erstmal dran gewöhnen, KEINEN Kinderwagen vor mir her zu schieben) und hab mich gefühlt jede halbe Stunde zwicken müssen.
Weil ich nicht fassen konnte, dass es wirklich wahr ist.
Der Höhepunkt: Aufstehen, Frühstücken, aus dem Haus gehen. Alleine! Ohne Windeltasche, Wechselkleidung, Brotzeitbox, morgendliches Gebrüll, etc…
Aber irgendwann kommt dieser Moment für jeden.
Das ist pures, intensives Glück über den gewonnenen Freiraum – sowas verstehen nur Eltern 😉
Ja, kinderfrei zu haben ist echt genial! Gottseidank habe ich das jede komplette zweite Woche, da ich mit meinem EX wochenweises Wechselmodell vereinbart habe und die Kinder „nur“ jede zweite Woche betreue. Das ist Gold wert, das ist meine Lebensrettung. Ohne diese Lösung wäre ich sicher schon aus dem Fenster gesprungen oder hätte mich vor den Zug geworfen. Ich kann nicht als Vollzeit-Fami-Mami leben mit ständig Kinder und Mann um mich! Wahhhhh, das wäre für mich die Hölle auf Erden oder als Alleinerziehende leben und ich habe die Kinder ständig an der Backe. Um Gottes Willen! Nicht machbar, ein no… Weiterlesen »
Wow, danke für deine offenen Worte! Ich finde das mega sympathisch ehrlich gesagt. 🙂 Ich erkenne mich in deiner Haltung wieder – wenn mans so betrachtet, bin ich auch überhaupt kein Familienfan. Also dieses Konzept, dass man auf engem Raum immer zusammen ist… brrr, allein bei dem Gedanken hab ich das Bedürfnis, mich freizustrampeln. Ist ja schön zu wissen, dass ich mit dem Gefühl nicht alleine bin. Zum Glück haben mir die Großeltern bei der Kinderbetreuung viel den Rücken freigehalten, sonst wäre ich wohl auch durchgedreht. Wenn ich nicht ein gewisses Maß an ungestörter Zeit mit mir selbst habe, dann… Weiterlesen »
Hach! So gut. Ich konnte in jedem einzelnen Wort deine Freude herauslesen.
🙂