Urlaub mit Kind? Am Arsch!

Kind sitzt auf dem Klo, Urlaub mit Kind Mamablog

Erstellt am: 08/04/2019

Aktualisiert am: 24/10/2024

Mein erster Urlaub mit Kind läuft unter dem Motto: „Jeden Abend ein bisschen sterben.“

Als ich meinen ersten Urlaub mit Kind plane, bin ich ziemlich naiv. Ich glaube ernsthaft, das könnte erholsam werden. Aus heutiger Sicht ist das völlig verblendet. Denn es gibt eine universelle Regel: Das Kind gewinnt. Immer. Das musste ich erst schmerzhaft erfahren. Hinterher ist man eben immer schlauer.

Nun aber der Reihe nach: Vor der Buchung habe ich eine Liste erstellt. Auf Platz eins steht ein Mindestalter von fünf Jahren. Das gewährt aus meiner Sicht zumindest einen Anflug von Rationalität. Denn ich habe wenig Lust auf Trotz-Anfälle unter Palmen.

Ertrinken verboten

Dann ist da noch der Schwimmkurs. Da ich meine Augen nicht überall haben kann, will ich das Szenario „Kind-fällt-in-den-Pool“ vermeiden. Also fahre ich den Sohn zum Training. Das würde zwar nicht ausschließen, dass er ins Becken fiel, aber notfalls könnte er sich über Wasser halten. Als Alleinerziehende muss man pragmatisch denken.

Im Internet suche ich ein Angebot aus, das allen Komfort für einen Urlaub mit Kind bietet: Kurze Transferzeit, Nähe zum Strand und ein Zimmer in Reichweite des Restaurants.

Wie sich später herausstellen sollte, ist der letzte Aspekt besonders wichtig. Denn jedes Mal, wenn ich beim Abendessen in den feinsten Köstlichkeiten schwelge, blickt mich das Kind an und spricht mit ernster Stimme: „Ich muss kacken.“

Das Tor zur Hölle bleibt zu

In diesen Momenten scheint die Zeit still zu stehen. Mit zusammengebissenen Zähnen versuche ich dem Bengel klarzumachen, dass er sein Anliegen auch diskreter formulieren kann. Damit erreiche ich das Gegenteil. Sichtlich irritiert durch meine gepresste Aussprache, verbalisiert der Sohn erneut – und diesmal lauter: „Ich muss KACKEN!“

Damit ist uns die volle Aufmerksamkeit gewiss. Hilfesuchend tasten meine Füße den Boden ab. Wenn das Tor zur Hölle sich in diesem Augenblick öffnete – ich würde mit ausgebreiteten Armen hineinspringen. Aber es tut sich nichts. Mein Schicksal ist besiegelt.

Im Laufe unseres zweiwöchigen Aufenthalts stellt sich eine abendliche Routine ein. Der Überraschungseffekt bleibt allerdings. Weil ich nie den exakten Moment vorausahnen kann, in dem der Sohn sein Bedürfnis verkündet. Ist ja im Grunde eine gesunde Einstellung. Nur sind Ort und Zeitpunkt dermaßen schlecht gewählt, dass ich jeden Abend ein bisschen sterbe.

Zuverlässig wie ein Kack-Beamter

Es hilft auch nichts, den Sohn vor dem Essen zu fragen, ob er aufs Klo muss. Er stellt sich stur und will es partout nicht versuchen. So viel zum Thema Trotz unter Palmen. Wenn ich daran denke, wie viel Geld mich dieser Urlaub mit Kind gekostet hat, bin ich den Tränen nahe.

Tapfer schlucke ich den Kloß in meinem Hals hinunter. Mit dem Sohn im Schlepptau marschiere ich gen Restaurant. In meiner Brust pocht die niederschmetternde Gewissheit, dass es auch diesmal wieder passieren wird. Und ich werde nicht enttäuscht. In dieser Hinsicht ist das Kind außergewöhnlich zuverlässig. Wie ein kleiner Kack-Beamter.

Abendlicher Walk of Shame

Doch diese Präzision findet bei den Urlaubsgästen keinen Anklang. Wenn der unvermeidliche Satz rausgehauen ist, hagelt es verstörte Blicke. Besonders entmutigend finde ich die Reaktionen der anderen Familien. Die sitzen mit ihren perfekten Kindern in aufrechter Haltung da und schlagen bei unserem Anblick beschämt die Augen nieder.

Darum will hier auch niemand mit meinem abtrünnigen Kind spielen. Die haben wahrscheinlich Angst, dass das effiziente Verwertungssystem des Sohnes abfärben könnte. Bei dem Gedanken lache ich tonlos und marschiere demonstrativ an den Vorzeigefamilien vorbei. Dem Kellner gebe ich zu verstehen, dass er noch nicht abräumen soll.

Dann machen wir uns auf den Weg Richtung Zimmer. Der Walk of Shame ist dank meiner vorausschauenden Planung schnell bewältigt. Der Junge mit der gesunden Verdauung läuft vorneweg, während ich relativ unmotiviert hinterher schlurfe.

Mein Job ist es, Seiner Majestät den Hintern abzuputzen. Ist das vollbracht, bleibt mir als Trost immerhin die Nachspeise. Da macht es nichts, wenn die kalt ist. Wehmütig löffle ich meinen Pudding, während der Sohn voller Energie auf der Anlage herumrennt. Offensichtlich fühlt er sich um einiges an Gewicht erleichtert.

Unverschämte Fragen

So läuft das jeden Tag. Und ich zweifle immer mehr daran, ob ein Urlaub mit Kind überhaupt erholsam sein kann. Neben der Angelegenheit mit dem Kacken ist da nämlich noch eine Sache – oder genauer gesagt ein Satz – der mich gewaltig nervt: „Was machen wir jetzt?“

Diese vier Worte sind allgegenwärtig. Und es gibt für den anspruchsvollen Sohn keinen Anlass, sie nicht auszusprechen. Als wir nach einer halbtägigen Segeltour inklusive Piratenprogramm wieder an Land sind, spüre ich den Boden unter mir immer noch schwanken. Anstatt seiner alten Mutter eine helfende Hand zu reichen, blökt der Sohn: „Was machen wir jetzt?“

Denkt dieser unverschämte Bengel jemals darüber nach, was er sagt? Oder ist ihm diese Standardfloskel in Fleisch und Blut übergangen? Statt diese Gedanken auszusprechen, gebe ich resigniert zurück: „Mir ist schwindelig und ich habe Kopfweh. Wir gehen zum Hotel.“

Russische Moderatoren als Babysitter

Kaum haben wir unser Zimmer erreicht (noch auf dem Abstreifer stehend), katapultiert der Junge in forderndem Tonfall heraus: „Was machen wir jetzt?“

Dieser Satz ist der große Bruder vom „Sind wir schon da?“ Allerdings hat der große Bruder ein Ziel vor Augen. Etwas, das ich bei diesem Urlaub mit Kind schmerzlich vermisse. Wenn Entspannung die Ziellinie darstellt, bin ich noch nicht einmal gestartet.

Stöhnend lasse ich mich aufs Bett fallen. Mit letzter Kraft schalte ich den Sportkanal ein. Davon erhoffe ich mir etwas Ruhe. Das Kind versteht zwar kein Wort, doch die Sportruderer wecken sein Interesse. Begleitet vom Geschwafel der russischen Moderatoren dämmere ich dahin.

Weltuntergangs-Stimmung

Ich träume von Wiesen, auf denen Rehe herumspringen. Ein Rauschen im Hintergrund lässt mich das Meer erahnen. Erfolglos suche ich nach den Klippen. Und stelle erstaunt fest, dass es von unten her immer nasser wird. Als das seltsame Getöse ansteigt, kann ich es eindeutig zuordnen: Das ist eine gigantische Klospülung, in deren Wasserschwall die niedlichen Rehlein zu ertrinken drohen.

Die Landschaft steht bereits zum Großteil unter Wasser, als sich der Himmel verdunkelt. Blitze zucken am Horizont, die Luft ist elektrisiert. Da teilen sich die Wolkenmassen und eine kindliche Stimme schmettert auf seine versinkende Schöpfung hinab: „Ich muss kacken!“

In blanker Verzweiflung klammere ich mich an ein Bambi, bevor ich von einer enormen Welle davon gespült werde…

Mein tapferer Entschluss

Ich erwache in einem Zustand außerhalb von Raum und Zeit. Oben, unten, Männlein, Weiblein – all das spielt keine Rolle mehr. Wenn mich in diesem Augenblick jemand nach Fisch oder Fleisch fragte – ich hätte eine passende Antwort parat: Ich würde Beiderlei durch den Fleischwolf drehen und dem Gesicht des Fragestellers mit dem unappetitlichen Ergebnis einen interessanten Anstrich verleihen.

Das Tor zur Hölle kann mich mal. Mental balanciere ich am Abgrund. Was Klospülungen angeht, bin ich ein gebranntes Kind. Wenn ich den Absprung schaffen will, darf ich mich nicht länger von einem überaktiven Verdauungsapparat beherrschen lassen. Damit ist ab sofort Schluss!

Beherzt greife ich mir an die Brust, um meinen Entschluss zu untermauern – doch ich kann die Geste nicht zu Ende bringen…

„Was machen wir jetzt?!“

Diese Frage holt mich schlagartig in die Realität zurück. Es ist, als würde man einem zum Bersten gefüllten Ballon die Luft entlassen. Meine eben noch straffen Schultern sinken kraftlos herab. Ich habe mich wieder gefasst. Willkommen im Alltag.

Wortlos packte ich die Strandsachen zusammen. Das ist meine Art, die weiße Fahne zu schwenken. Die romantische Vorstellung vom Urlaub mit Kind ist dahin – wir verbringen den Rest des Tages am Meer. Davon ist der Sohn so müde, dass er nach dem Abendessen wie ein Stein ins Bett fällt. Das Kackritual fällt an unserem letzten Abend aus.

Mein Entspannungsziel hab ich letztlich doch erreicht. Die regelmäßigen Atemzüge des Sohnes machen mich schläfrig. Ich träume von einer Zukunft, in der ich in aller Ruhe mein warmes Abendessen genießen kann, während sich das Kind selbst den Hintern abwischt.

Autor: Constanze Wilz

Ich bin die Anti-Heldin unter den Müttern.
Statt einem inneren Kind habe ich einen inneren Kinski.

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