Alleinerziehend: Warum ein Kinderlächeln nichts „wieder gut“ macht
„Es ist eine harte Zeit, ich schlafe kaum und bin total erschöpft, aber das Lächeln meiner Kinder macht alles wieder gut.“
Texte dieser Art lese ich oft in Gruppen für Alleinerziehende.
Ich stolpere dabei immer über diese eine Stelle: dass die Kinder all das Erlebte wett machen.
Das kann ich nicht bestätigen.
All die Strapazen, Sorgen und schlaflosen Nächte gepaart mit körperlicher und seelischer Erschöpfung. Das ist keine Lebensqualität, sondern reines Funktionieren.
Und das jahrelang. So etwas lässt sich nicht wegstreicheln.
Eine offene Wunde
Da gibt es in meinen Augen nichts wett zu machen.
Für mich ist das eine offene Wunde.
Und die verschließt sich nicht durch die Liebe zu meinem Kind.
Dieses Allein-Gelassen-Sein, ein Übermaß an Verantwortung zu tragen, sich abzuarbeiten und dafür noch nicht einmal wertgeschätzt zu werden – all das hat mich erschüttert.
Es hat sich eine Angst in mir manifestiert.
Die Ur-Angst des Verlassenseins.
Das muss man mehr oder weniger mit sich selbst ausmachen.
Dadurch wird man zwar stark, aber auch hart.
Mich hast das in gewisser Weise verhärtet.
Zusammenbrüche gab es nur hinter den Kulissen.
Wenn das Kind schlief, flossen die Tränen
Dann riss ich mich wieder zusammen. Und funktionierte.
Das hat seinen Preis: Zwischenzeitlich hatte ich nicht die Kraft, mein Kind wertzuschätzen.
Es gab Momente, da habe ich es nur als Belastung empfunden.
Als einen Stein in dem Rucksack, der mich täglich nieder drückte.
Für diese Gefühle habe ich mich selbst verurteilt.
Heute kann ich das verstehen und nachvollziehen. Ich kann mir verzeihen.
Jedoch weiß ich eines ganz sicher: Ich will das nie wieder erleben müssen.
Weil es geht um mich und meine Existenz.
Darum, dass ich mich selbst aufgeben musste und jahrelang auf der Strecke geblieben bin.
Ich habe am laufenden Band kompensiert.
Ich war in meinem Leben nicht mehr wichtig, weil sich alles nur noch um das Kind drehte.
Es verlangte mehr von mir ab, als ich geben konnte.
Ich überschritt permanent meine Grenzen
Wenn ich dann lese, dass Mütter als „Heldinnen mit Superkräften“ bezeichnet werden, kann ich nur müde lächeln.
Ich will kein Held sein. Ich bin nicht übermäßig stark und schon gar nicht unverwundbar.
Diese Idealisierung der Mutter führt dazu, dass die Frauen immer weiter kompensieren, weil sie keine Schwächen zulassen.
Gesellschaftlich sind schwache Mütter, die sich beschweren, nicht gerne gesehen.
Dann Sprüche kommen wie: „Du wolltest es ja so.“
Alleinerziehend zu sein ist ein Stigma
Alleinerziehend zu sein empfinde ich als Stigma.
Im Grunde ist das ein unnatürlicher Zustand – Soziale Wesen ohne entsprechendes soziales Gefüge.
Im Berufsleben kam ich mir zum Teil wie eine Aussätzige vor.
Beim Bewerbungsmappencheck gab man mir den Rat, bloß nicht zu erwähnen, dass ich alleinerziehend bin.
„Das kommt bei den meisten Arbeitgebern nicht gut an“, sagte man mir.
Das gilt übrigens auch für die Partnersuche.
Finanziell bin privilegiert, da mir meine Familie unter die Arme gegriffen hat.
Doch was ist mit denjenigen, die alleinerziehend sind und das nicht haben?
Die zwangsläufig in die Altersarmut rutschen, weil die Vorsorge nicht ausreicht oder schlimmstenfalls nicht vorhanden ist?
Auch wenn das jetzt echt hart ist, aber es gibt an dieser Stelle keine Wiedergutmachung.
Denn ein Lächeln heilt kein Burnout und es sichert auch keine Existenz.
Das ist wieder mal ein starker und berührender Text.
Ich hatte Gänsehaut beim Lesen und weiß genau, was du meinst. Ich bin auch alleinerziehend und geriet in eine Depression, weil ich völlig überfordert war. Alleinerziehende bräuchten viel mehr Hilfe, Netzwerke, Unterstützung…
Es umarmt dich Olga.
Hallo Olga und danke für die Rückmeldung!
Viele Alleinerziehende leiden unter den Folgen der Überlastung.
Ich sehe das ganz genauso wie du – es müsste da einfach viel mehr Unterstützung her. Wenn sich das bedingungslose Grundeinkommen eines Tages durchsetzt, wäre das schon ein großer Schritt.
Auch Familienpaten, die Eltern ehrenamtliche Hilfe leisten, sollte man besser etablieren.
Ansonsten müssten sich die Mütter einfach zusammentun, etwa bei genossenschaftlichen Wohnprojekten etc. …
Alles Liebe,
Conni
Ich bin echt sprachlos. Du sprichst in dem Beitrag so viele Dinge an. Deine Worte sind hart, traurig und heilsam. Gut, dass du das so direkt ansprichst, denn es ist für viele Alleinerziehende traurige Wahrheit, insbesondere der Punkt Altersarmut!
Danke dir! Ich empfand es beim Schreiben auch traurig und heilsam zugleich.
Es bringt einfach nichts, Dinge zu beschönigen, wenn es nichts zu beschönigen gibt.
Zu diesem Text kann ich nur eines sagen: Danke!
Danke dir für dein Feedback! 🙂
Ich bin zwar nicht alleinerziehend, kann mich aber trotzdem in einigen Punkten wiederfinden.
Die erste Zeit mit Kind ist hart und ich glaube, da wird viel schön geredet. Jedenfalls ziehe ich meinen Hut vor den alleinerziehenden Frauen (und Männern) die das alles alleine gewuppt kriegen. Respekt!
Da hast du Recht. Ich ziehe meinen Hut vor den Alleinerziehenden, die das komplett ohne familiäre Unterstützung hinkriegen.
Von Erschöpfungszuständen und Existenzangst kann ich ein Lied singen! Ich litt unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die erst spät diagnostiziert wurde. Und wie willst du jetzt einer Alleinerziehenden Ruhe und Schonung und ausreichend Schlaf verordnen?
Man muss halt einfach funktionieren, wie du sagst… jemand muss sich um die Kinder kümmern, Geld ranschaffen, Haushalt schmeißen. Wenn das alles an einer Person hängen bleibt ist das zu viel. Das Resultat kann nur Überlastung sein.
Danke für deine ehrlichen Worte!
Ich wünsche dir für deine Zukunft alles Gute und viel Kraft.